Solisten auf großer Bühne: Jakob und Maximilian bei "Tosca" in der Semperoper
Jakob Krause als Hirtenjunge bei der "Tosca"-Premiere in der Semperoper. Foto: Semperoper Dresden/Sebastian Hoppe
Die Hofkirche, die Heimat der Kapellknaben, liegt auf der einen Seite des Theaterplatzes. Doch an diesem Freitagmorgen gehen Jakob Krause und Maximilian Wiederhold gegenüber in die Semperoper. In einer halben Stunde beginnt die Generalprobe für die Oper „Tosca“ von Giacomo Puccini. Vorher werden Jakob und Max von Jörg Hempel, Stimmbildner bei den Kapellknaben, eingesungen. Dann schlüpfen sie in ihre Hirten-Kostüme und gehen in die Maske. „Ich bin total aufgeregt. In einer so tollen Puccini-Oper ein so schönes Solo singen zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes. Und die Semperoper ist eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt“, sagt Max, strahlt und knetet seine Finger.
Wann sie an der Reihe sind, verrät eine Durchsage. In jeder Garderobe hängen dafür Lautsprecher, durch die die Künstler auch die Probe mithören können. Die Szene mit den Hirtenjungen steht am Beginn des 3. Aktes. Die Rolle wurde doppelt besetzt, um im Krankheitsfall eine Alternative zu haben. Jakob ist für die Premiere und die dritte Aufführung eingeteilt, Max für die zweite. Die beiden 14-Jährigen, die am Benno-Gymnasium gemeinsam in die 9. Klasse gehen, konnten sich bei einem Casting durchsetzen. 15 Kapellknaben hatten für Solo-Rollen in „Tosca“ und „Die Zauberflöte“ vorgesungen. „Wir sind in der glücklichen Lage, viele Jungs zu haben, die das singen können. Für die Opernhäuser hat das den Vorteil, dass sie sich aussuchen können, welcher Knabe für welche Rolle besonders geeignet ist“, erklärt Jörg Hempel. Ob Jakob und Max auch für das Knaben-Trio in „Die Zauberflöte“ besetzt werden, steht noch nicht fest. „Sie sind in der engeren Wahl“, verrät Hempel. Mehr nicht.
Jakob hinten den Kulissen auf der riesigen Bühne der Semperoper. Foto: Dresdner Kapellknaben/Daniel Klein
Nun müssen Jakob und Max auf die riesige Bühne der Semperoper. Nach dem Ende des zweiten Aktes wuseln Mitarbeiter umher, schieben Kulissen, verlegen Kabel. Beide singen nacheinander ihre Soli, um sich an den besonderen Klang in dem barocken Saal und das Zusammenspiel mit der Sächsischen Staatskapelle zu gewöhnen. Mit Musikern eines der weltweit renommiertesten Orchester treten die Kapellknaben regelmäßig auf – das nächste Mal am 8. November bei der Aufführung des „Elias“ in der Dresdner Kathedrale.
„Wir haben unsere Rollen sehr oft geprobt und singen im Sitzen, was für uns ja ungewohnt ist“, erzählt Jakob. Bei der richtigen Aussprache half ihnen ihr Stimmbildner, Jörg Hempel hat in Italien studiert. „Es sind sehr gut ausgebildete Jungen, sie sind super vorbereitet“, lobt Regieassistentin Kseniia Khlestkina. „Es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten.“ Die in Moskau geborene Sängerin betreut bei Produktionen immer wieder Kinder und Jugendliche. „Ich erzähle ihnen die Handlung der Oper, hole sie so in ihre Rolle rein“, sagt sie. „Es sollte wie ein Spiel aussehen, eine Leichtigkeit haben – zugleich dürfen sie aber den Fokus nicht verlieren.“
Maximilian Wiederhold bei einer "Amahl"-Aufführung an den Landesbühnen. Foto: Landesbühnen Sachsen
Ein Kostüm zu tragen, sich auf einer gewaltigen Bühne mit Profi-Sängern zu bewegen, das ist ungewohnt für Kapellknaben. Hilfe erhalten Jakob und Max aber nicht nur von Jörg Hempel und Kseniia Khlestkina. „Die Solosänger sind alle sehr nett. Und aus dem Chor der Staatsoper hat mich ein ehemaliger Kapellknabe angesprochen“, erzählt Max. Der Sopranist hat bereits Bühnenerfahrung, im vergangenen Jahr verkörperte er die Titelrolle des „Amahl“ an der Landesbühne. „Das war eine viel größere Rolle auf einer kleineren Bühne. Jetzt ist es eher umgekehrt“, vergleicht er.
Jakob war eigentlich für die Gruppe der zwölf Kapellknaben vorgesehen, die in diesen Tagen die Bistums-Wallfahrt nach Rom musikalisch begleiten und am Mittwoch spontan bei der Generalaudienz vor 60.000 Gläubigen und Papst Leo XIV. auf dem Petersplatz gesungen hatten. Wegen der „Tosca“-Proben musste er auf die Reise verzichten. Natürlich sei er gerne nach Rom gefahren, sagt Jakob - und grinst: „Aber dass ich die langen Busfahrten verpasse, bedauere ich nicht.“
Seinen Auftritt an der Sächsischen Staatsoper versteht er in gewisser Weise auch als Auftrag: „Wir präsentieren hier die Kapellknaben und können vielleicht Erfahrungen sammeln für das spätere Berufsleben – man weiß ja nie.“
Als Jakob und Max von der Bühne gehen, stimmt die Staatskapelle unter der Leitung von John Fiore die ersten Takte des berühmten „E lucevan le stelle“ an, das Solo wird vom weltweit gefeierten französisch-italienischen Tenor Roberto Alagna gesungen.
Die „Tosca“-Premiere am 18. Oktober ist ausverkauft. Für die weiteren Aufführungen am 23. und 25. Oktober (jeweils 19 Uhr) gibt es noch wenige Restkarten.