Domkapellmeister Bonath: "Die Messe schlummerte 270 Jahre in den Archiven"

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Herr Bonath, beim Pontifikalamt am Pfingstsonntag (10.30 Uhr) führen Sie mit den Dresdner Kapellknaben, dem Kathedralchor und Musikern der Sächsischen Staatskapelle die h-Moll-Messe von Johann Georg Schürer in der ehemaligen Hofkirche auf. Was macht dieses Werk so besonders?

Die Messe zeigt, wie groß die Qualität und die Tradition ist, die wir in der Kathedralmusik mit den Kapellknaben bewahren immer wieder ans Licht bringen. Schürer hat als Hofkapellmeister im 18. Jahrhundert im Auftrag des Königs in Dresden Musik für die Gottesdienste in der Hofkirche komponiert - darunter auch die h-Moll-Messe. Sie wurde 1757 uraufgeführt, danach schlummerte sie in den Archiven und wird am Sonntag erstmals wieder vorgetragen.

Und wie kam sie wieder ans Licht?

Klaus Winkler, ein ehemaliger Lehrer und promovierter Musikwissenschaftler, mit dem wir schon häufiger zusammengearbeitet haben, beschäftigt sich intensiv mit der Übertragung von alten Handschriften-Partituren in heute gebräuchliche. Mit Schürers vor 270 Jahren geschriebene Noten könnte heute niemand mehr singen oder spielen - es sei denn, er ist absoluter Experte. Im Barock wurde zum Beispiel ein anderer Notenschlüssel verwendet als heute. Deshalb muss es übertragen werden. Vergangenes Jahr hatten wir mit seiner Hilfe bereits zu Ostern eine Schürer-Messe vom Staub befreit.

Was zeichnet die Messe musikalisch aus?

Sie zählt zu den sogenannten Nummern-Messen, wird nicht am Stück aufgeführt, sondern ist in einzelne Sätze - oder Nummern - aufgeteilt. Und in denen haben große Arien Platz. Die anspruchsvollen Sopran-Arien übernehmen bei uns, wie es sonst kaum ein anderer Chor macht, zwei Knaben. Dies ist ein ganz besonderes Hörerlebnis.

Erst kürzlich haben die Kapellknaben Werke von Johann Adolph Hasse aufgenommen, der Probensaal in der Unterkirche der Kathedrale trägt den Namen des ehemaligen Hofkapellmeisters. Schürer dagegen ist kaum bekannt.

Wenn man ehrlich ist, dann kennt auch Hasse außerhalb Dresdens und der Kathedrale kaum noch jemand. Dabei war er zu seiner Zeit ein Mega-Star, vergleichbar heute mit Taylor Swift. Er war vor Schürer Hofkapellmeister in Dresden und hat einen italienischen Stil geprägt, den andere Komponisten nachgeahmt haben. Schürer steht deutlich in der Tradition Hasses, beide beherrschen den Einsatz des Kontrapunktes, schreiben wunderschöne Melodien und können die Stimmen sehr schön auf das Orchester verteilen. Am Sonntag sind Oboen, Flöten, Hörner, Streicher und Pauken im Einsatz. Und auch die große Silbermann-Orgel ist bei der Messe zu hören. Ich freue mich schon darauf.

 

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