CD-Tonmeister Christian Jaeger: "Diese Stimmen sind wahnsinnig spannend"

Die Kopfhörer von Christian Jaeger wirken mit ihrer kantigen Plastikoptik ein wenig antiquiert und ulkig, doch ihr Klang ist überragend. Jedes noch so winzige Geräusch, jede Nuance übertragen sie klar und präzise. Und genau darauf kommt es an bei der Arbeit des gebürtigen Görlitzers und studierten Tonmeisters. Seinen Arbeitsplatz hat er für fünf Tage in einen kleinen Raum hinter der imposanten Silbermann-Orgel verlegt, nebenan stehen die XXL-Schränke mit den liturgischen Gewändern der Dresdner Kapellknaben.
Dort, wo Domorganist Sebastian Freitag seine Noten lagert, hat Jaeger die Technik aufgebaut. Viel ist es nicht: Monitor, Tatstatur, Verstärker, eine große Festplatte, Mikro und diese sehr speziellen Kopfhörer. Mehr zu sehen ist nebenan auf der Empore. 17 Mikrofone hat er aufgebaut, zwei schweben, von Seilen gehalten, über dem Mittelschiff der Kathedrale. "Ich habe hier schon mal eine Orgel-CD aufgenommen. Die Klangfarbe in diesem riesigen Raum ist einfach brillant: hell und sehr transparent", findet der 41-Jährige, der im Spreewald aufgewachsen ist, an der Musikhochschule in Berlin studiert hat und nun in Nürnberg lebt.
Bei den Planungen für die CD war kurz im Gespräch, sie in einer kleineren Kapelle aufzunehmen. "Ich bin heilfroh, dass wir uns anders entschieden haben. Diese Kombination - Knabenstimmen, Silbermann-Orgel und Kathedrale - ist einfach traumhaft", schwärmt er. Seit Jahren ist er auf dem Klassik-Markt unterwegs, hat mit dem Leipziger Thomanerchor, den Tölzer Sängerknaben und dem Windsbacher Knabenchor produziert. Die Zusammenarbeit mit Domkapellmeister Christian Bonath und den Kapellknaben ist seine erste.

Die Musik, die 1762 vom damaligen Dresdner Hofkapellmeister Johann Adolph Hasse komponierten Stücke "Litaniae Lauretanae", "Salve Regina" und "Sub tuum praesidium" ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Hasse hat sie, wie damals üblich, für Knabenstimmen geschrieben. Und genau so sollen sie auch auf der CD zu hören sein: Im Chor in kleiner Zwölf-Mann-Besetzung singen nur Sopran- und Alt-Stimmen, und auch die Soli werden von den Jungen übernommen.
Die stehen in den Abendstunden, nachdem Touristen und die Gottesdienstbesucher der Abendmesse die Kirche verlassen haben, auf der Empore. Absolute Stille ist Grundvoraussetzung für eine Aufnahme. Und Geduld. Ganz viel Geduld. Immer wieder werden die gleichen Stellen wiederholt. Es geht um Feinheiten, die nicht passen: Tempo, Betonung, Atempausen. "Schon ganz schön", sagt Jaeger, als der letzte Ton einer Aufnahme verklungen ist. Auf das übliche "Aber" verzichtet er, formuliert es lieber als Wunsch: "Bitte noch mal ab Takt 57 und auf die Phrasierung und Vokalfarbe achten!" Auf der Partitur, die vor ihm liegt, macht er sich mit einem Bleistift ständig Notizen, welcher Versuch bei welchen Takten der gelungenste war. Beim folgenden Schnitt muss er die entsprechenden Passagen auf der Festplatte wiederfinden.
Bei den ständigen Korrekturen könnte man den Eindruck gewinnen, der Tonmeister sei nicht zufrieden, aber genau das Gegenteil ist der Fall. "Diese ständigen Wiederholungen sind völlig normal, das ist bei Profisängern nicht anders", erklärt er. "Die Jungs sind total motiviert, haben wahnsinnig spannende Stimmen, ein einzigartiges Timbre und eine andere Klangfarbe als Sopranistinnen."
Wenn am Montag die Aufnahmen abgeschlossen sind, beginnt für Jaeger die Nachbearbeitung, vor allem der Schnitt. Fünf Tage wird er dafür brauchen, schätzt er. "Der Erstschnitt geht dann an Herr Bonath, der ihn mit seinen Anmerkungen und Korrekturwünschen an mich zurückschickt. In der Regel ist der Zweitschnitt der finale." Einen schiefen Ton bei der Postproduktion in einen geraden zu korrigieren - das ginge nur bei Schlager- oder Popsängern, die in einem Tonstudio stehen. "Solch eine Klassikaufnahme ist dafür viel zu komplex", erklärt er.
Die finale Aufnahme schickt er dann ans Plattenlabel, das die CD im Presswerk produzieren lässt und den Vertrieb organisiert. Frühestens im Herbst wird man dann in den CD-Player legen können, was gerade in der ehemaligen Hofkirche entsteht.