Konzert am 8. Februar: Gedenken an die Zerstörung und die eigene Geschichte

Die Zahl der Augenzeugen der Bombennacht auf Dresden vor 80 Jahren wird immer kleiner. „Das Erinnern an die schrecklichen Ereignisse darf aber nicht aufhören“, findet Domkapellmeister Christian Bonath, der am 8. Februar mit den Dresdner Kapellknaben das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart und zwei Motetten in der Kathedrale zum Gedenken an den Jahrestag aufführt. „Und auch der Chor waren unmittelbar betroffen von der Nazidiktatur und den Angriffen auf Dresden im Februar 1945.“
Das Konzert wird für die Kapellknaben also auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Wie durch ein Wunder kam keiner der jungen Sänger im Feuersturm um, weil sie bereits im Sommer 1944 nach Schirgiswalde umquartiert worden waren.
Die Repressalien der Nationalsozialisten begannen schon eher. 1937 wurde die Zusammenarbeit des Chores mit der Staatskapelle verboten, zwei Jahre später das bischöfliche St.-Benno-Gymnasium, damals eine Villa in der Wiener Straße, in der alle Sänger zur Schule gingen, aufgelöst.
Im Januar 1941 folgte der nächste Einschnitt. Kaplan Alois Andritzki, der die Kapellknaben in ihrer Freizeit betreute, wurde von der Gestapo verhaftet. Bei den Jungen war er äußerst beliebt und verblüffte sie mit seinen Turnkünsten. So ging er im Handstand von einem Ende einer langen Speisetafel zum anderen. „Für ihn wären wir alle durchs Feuer gegangen“, schrieb Johannes König, von 1938 bis 1942 Kapellknabe, in seinem 2000 veröffentlichten Erinnerungen „Gregorianik und Granaten“. Andritzki starb im Februar 1943 im KZ Dachau, 2011 sprach ihn die katholische Kirche selig. Er ist der einzige aus Sachsen stammende Selige.
Das Kapellknabeninstitut wurde schrittweise geschlossen. Es befand sich damals in der Schloßstraße 32, gegenüber dem Löwentor, dem Eingang zum Grünen Gewölbe. Offiziell hieß es das „Geistliche Haus“, im Volksmund „Schwarzes Haus“ - wohl weil die Bewohner, viele von ihnen waren Priester, schwarze Talare trugen. Die Jungen waren in der 3. Etage untergebracht, aufgeteilt in Tages-, Speise- und Schlafraum. Hier wurde auch geprobt für die Dienste in der Hofkirche, der Semperoper, bei Trauungen und Beerdigungen.
Ab Anfang 1942 durften die Kapellknaben nicht mehr in ihrem Institut übernachten, deshalb zogen sie zu Dresdner Quartiereltern um. Zwei Jahre später wurde auch das zu gefährlich, die Sänger fuhren lediglich sonntags mit dem Zug zu den Gottesdiensten in die Hofkirche. Ironie der Geschichte: Durch die Schließung des Institutes durch die Nazis entkamen die Kapellknaben den Bombenangriffen auf Dresden am 13. und 14. Februar. Die verbliebenen Bewohner des „Geistlichen Hauses“ hatten sich in den Schutzräumen im Keller versammelt. Durch eine in der Nähe detonierte Luftmine kamen sie alle ums Leben.
In seinem Buch erinnert sich Johannes König, der 1942 als Flakhelfer eingezogen wurde, wie er im Herbst 1945 erstmals durch die zerschundene Innenstadt spazierte. „Alle meine ehemaligen Bildungs-, Wohn- und Wirkungsstätten sind zerstört, das ganze Milieu meiner Dresdner Jahre vernichtet: das St.-Benno-Gymnasium ausgebrannt, zerbombt das “Schwarze Haus", das Schloss gegenüber eine Ruine, die Hofkirche schwer zerstört - nichts als Ruinen und Trümmer."
Im einstigen Internat der Kapellknaben empfängt inzwischen das Hotel Hyperion seine Gäste, eine Tafel neben dem Eingang erinnert an den Vorgängerbau und die ehemaligen Bewohner. Der Chor wagte 1948 mit fünf Knaben einen bescheidenen Neuanfang, wuchs rasch, auch, weil der Stimmbruch nun nicht mehr das Ende bedeutete. Mit den Männerstimmern wurde auch das Repertoire wesentlich erweitert. 1956 schließlich zogen die Kapellknaben in ihr Domizil in die Wittenberger Straße in Striesen. Dort wird fleißig geprobt für Mozarts Requiem am Samstag.
Konzert am 8. Februar, 19.30 Uhr in der Kathedrale Dresden. Karten erhältlich unter eveeno.com/gedenkkonzert. Werkeinführung 17.30 Uhr im Haus der Kathedrale