Mit der Aufführung der Johannespassion berühren die Kapellknaben ihre Zuhörer

P1030141

In einer kurzen Ansprache zur Begrüßung ordnete Domkapellmeister Christian Bonath den Abend unter "historisch" ein: 300 Jahre nach der Uraufführung der Johannespassion von Johann Sebastian Bach in der Leipziger Nikolaikirche sangen die Dresdner Kapellknaben das kirchenmusikalische Meisterwerk erstmals in ihrer nahezu ebenso lange zurückreichenden Geschichte. Was nach den zwei Stunden in der ausverkauften Kathedrale feststand: Es war ein Abend, der die Zuhörer bewegt hat und der nachhallt. Als der letzte Ton des Schluss-Chorals verklungen war, herrschte in Sachsens größtem Gotteshaus für eine Minute absolute Stille - Zeit zum Nachdenken über das Gehörte. Dann aber klatschten die Besucher begeistert und bedankten sich im Stehen bei den Kapellknaben, den Musikern der Sächsischen Staatskapelle sowie den Solisten.

"Es geht in der Passion um das Kernthema unseres Glaubens: Ohne Kreuz, ohne Tod keine Auferstehung", erklärte Bonath. Dies wurde eindrucksvoll im vertonten Johannesevangelium deutlich, an drei Stellen wurde der 2.000 Jahre alte Bibeltext zudem ins Heute übertragen. Domzeremoniar Dr. Samuel-Kim Schwope erinnerte in kurzen Impulsen an Menschen, die Nächstenliebe leben, an Menschen, die Schuld auf sich laden und an die Begrenztheit alles Irdischen. Dazu wurde ein im Mittelgang aufgestelltes Kreuz in drei Etappen verhüllt.

Innerhalb von sechs Wochen hatten die Kapellknaben Bachs Meisterwerk einstudiert. "Die Jungs haben überzeugt und diese anspruchsvolle Aufgabe mit Elan und Freude gemeistert", fand Bonath unmittelbar nach dem Konzert. "Die besondere Herausforderung an der Johannespassion sind die extrem schwierigen Chorpassagen. Man muss nach Ruhepausen sofort wieder auf den Punkt da sein. Die Musik braucht sehr flotte Tempi, und die Koloraturen stimmlich zu führen, ist eine Herausforderung."

WhatsApp Image 2024-03-16 at 23.30.06 (1)

Zum gelungen Abend trugen wesentlich die Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle bei. Das weltweit gefeierte Orchester ist in seiner langen Geschichte eng mit den Kapellknaben verbunden hält diese Tradition bis heute lebendig. An der Truhenorgel spielte Domorganist Sebastian Freitag. Ebenso überzeugten die Solisten Jonathan Mayenschein (Altus), Alexander Schafft (Tenor) sowie Jörg Hempel und Felix Rohleder (beide Bass). Wie bereits bei Händels Messiah und Mozarts Requiem lag eine Besonderheit der Aufführung darin, dass Kapellknaben die Sopran-Arien übernahmen. Leander Gaßmann ("Zerfließe mein Herze") und Jakob Klein ("Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten") bekamen besonders viel Applaus - ebenso wie die Soliloquenten Ben Hauptfleisch, Jakob Hiekel und Jonas Pahlke.

Nach dem Krippenspiel hatte zudem der Nachwuchs seinen zweiten großen Auftritt. Die zehn Jungen im Alter von acht und neun Jahren sangen die Choräle, die sie unter der Leitung von Stimmbildner Moritz Kube einstudiert hatten, mit und bekamen am Ende einen Sonderapplaus.

Bleibt die Frage, warum die katholischen Kapellknaben Bach singen, der doch in Sachsen vor allem mit den Thomanern in Leipzig und dem Dresdner Kreuzchor in Verbindung gebracht wird. "In einem Chor geht es immer um Weiterentwicklung. Das geht nur, wenn man sich mit dem Besten beschäftigt. Und dass die Johannespassion zum Besten gehört, was jemals in der geistlichen Musik geschrieben wurde, ist unbestritten", erklärte der Domkapellmeister. "Man hört, welchen Sprung der Chor gemacht hat, weil er sich mit dieser Musik auseinandersetzt."

Nach diesem bewegenden Abend geht der Blick nun auf die Osterfeierlichkeiten, bei denen die Kapellknaben von Gründonnerstag bis Ostersonntag täglich die Liturgien und Gottesdienste begleiten. Und der Vorverkauf für das nächste Kathedralklang-Konzert ist bereits gestartet: Am 15. Juni wird unter dem Titel "The trumpet shall sound" Händels Messiah aufgeführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert